Schmerzen – der unberechenbare Teufel

Schmerzen – der unberechenbare Teufel

31. März 2017 0 Von Hartmut

Viele denken, ja der hat Parkinson, das ist doch diese Schüttelkrankheit, aber das kann das bei ihm gar nicht sein, der ist doch ganz ruhig. Dann kommt noch Fibromyalgie dazu, ein Schmerzsyndrom, das es eigentlich ja auch nicht gibt. Auf gut Deutsch gesagt, der hat doch gar nichts.
Das höre ich fast jeden Tag, das lässt mich mittlerweile auch ziemlich kalt, denn es gibt zwei Arten von Menschen, die einen haben keine Ahnung, das ist nicht schlimm, die können sich ausführlich informieren und ihren Wissenstand auffüllen. Schlimmer ist die andere Gruppe, die sind einfach nur ignorant und in meinen Augen auch ein bisschen blöd, denn die wollen sich gar nicht informieren und sind auch nicht bereit ihr Wissen aufzufrischen. Bei der ersten Gruppe bin ich gerne bereit durch Gespräche und Dokumentationen, Filmen und Arztbeiträgen für das erforderliche Wissen zu sorgen. Bei der anderen Gruppe ist mir mittlerweile jedes Wort zu viel, denn wer dumm sterben will, der soll es tun, da kann man eh nichts machen.
Das teuflische bei der Fibromyalgie ist, dass man nie weiß, wann und wie und wo sie beim nächsten Mal schwerpunktmäßig zuschlägt. Da die Schmerzen ständig wandern und nie am gleichen Ort gleich stark sind, macht das ganze einem total kirre. Man wacht morgens auf und hat erst mal überall Schmerzen, liegen bleiben ist dann nicht, der Körper muss aus dem Bett raus. Das ist leicht gesagt, denn das was der Kopf will und das was der Körper macht, das sind dann wieder zwei unterschiedliche Dinge. Bei meiner Kombination mit zusätzlichen Krämpfen und Parkinson zusammen macht das noch weitere erhebliche Probleme. Der Kopf sagt Körper soll raus, der Körper will sich drehen und dabei löst ein Krampf aus. Jetzt sind nicht nur die Schmerzen da, die schon da waren, jetzt kommen noch die heftigen Schmerzen und Auswirkungen vom Krampf dazu. Jetzt sagt der Kopf wir wollten doch aufstehen, der Körper sagt, nein du bleibst jetzt mal schön noch 20 min. liegen. Jetzt meldet sich die Blase und die sagt dem Kopf, wir sollten schnell aufstehen, denn ich bin voll und kann nicht mehr halten. Der Körper sagt, das ist doch mir egal, du wartest jetzt bis der Krampf vorbei ist. Die Blase meldet sich wieder und langsam kommt im Kopf schon Panik dazu. Aber die Panik bringt ja nichts produktives, da ja der Körper nicht kann. Meine Partnerin steht machtlos daneben und kann auch nichts machen als warten. Wer jetzt sagt, dann mach doch in eine Flasche, das ist leicht gesagt, denn durch den Krampf der im ganzen Oberkörper und allen Muskeln die im Oberkörper zur Verfügung stehen Dampf macht, lässt das nicht zu. Denn in dem Moment ist nichts unter Kontrolle und jede nur so kleine Drehung oder Druck verstärkt den Kramp und die Zeit des Wartens. Das kann sich niemand vorstellen. Wenn dann der Krampf nach ca. 20 min. dann wirklich aufgibt, dann ist der ganze Körper unter Vollanspannung und die Schmerzen sind unerträglich. Alleine Aufstehen und mal schnell ins Bad laufen ist Fehlanzeige, da ja die durch den Parkinson verursachte Steifigkeit in der Muskulatur morgens vor der Medikamenteneinnahme auch sehr träge ist.
Wenn ich Glück habe, dann hat die Blase mittlerweile vergessen was sie vorhatte, aber es kommt auch vor, dass sie direkt nach dem Krampf daran denkt und dann die Chance nutzt loszulassen. Wenn das passiert und ich möchte das anhalten, dann kann ich zu 90 % Wahrscheinlichkeit sagen, dass es zum nächsten Krampf kommt. Es ist einfach eine Situation die man niemandem wünscht. Es ist einfach nur lästig und anstrengend. Wenn die Blase hält, dann kann es passieren, dass sie beim hinsetzen auf die Toilette mit Überdruck reagiert und dann dort auch mal was an der Toilette vorbeigeht. Das bedeutet dann natürlich zusätzliche Arbeit für meinen Schatz, denn bücken und wischen ist leider nicht möglich. Ich habe ja jetzt zum Glück mein Dusch-WC, dank einer lieben Freundin und dafür bin ich so dankbar. Es bringt mir ein bisschen Intimsphäre zurück und erspart meiner Partnerin oder einer weiteren Person unangenehme Reinigung. Das mit der Hand hinter den Rücken greifen ist nämlich aufgrund Schmerzen, Steifigkeit und total harter Muskulatur leider nicht möglich und gerade nachts, oder morgens noch schlimmer als über Tag.
Das Aufstehen und zur Toilette gehen, kann dann schon mal 35- 60 min. in Anspruch nehmen. Denn ein weiteres Phänomen bei der Kombination der Krankheiten und Medikamente ist extremes Schwitzen und da kommt es dann schon vor, dass ich ein, zwei oder dreimal in der Nacht neue Schlafanzüge oder auch neue Bettwäsche brauche. Aber das ist ja alles nicht so schlimm, denn ich habe ja nichts.
Bei alle dem muss ich einfach sagen, ohne die Hilfe und Unterstützung meiner Partnerin wäre das gar nicht möglich, denn alleine wäre ich total aufgeschmissen. Sie ist die einzige in meinem Umkreis die auch nur ansatzweise ahnt, was ich für Schmerzen und Probleme habe, denn sie erlebt sie täglich mit.
Die Schmerzen machen einem an manchen Tagen echt total kirre und man denkt, das kann doch nicht so weitergehen. Die meisten jammern ja schon wenn sie mal ein bisschen Kopfweh haben, das sich aber meist nach Wasser trinken, oder auch mal einer Kopfschmerztablette nehmen auflöst. Stellt Euch mal vor ihr hättet diese Kopfschmerzen im ganzen Körper 24 Stunden, mehrere Tage, Wochen, Monate und Jahre, dann könnt ihr in etwa nachvollziehen was Fibromyalgiekranke täglich mitmachen. Da ist nichts mit schnell mal eine Tablette nehmen dann ist es besser, da ist nichts mit mal kurz hinlegen dann ist es wieder weg. Die Schmerzen sind einfach immer und permanent da. Zwar ist die Intension nicht immer gleich, aber sie sind da. Das macht einem an manchen Tagen, wo sie extrem stark sind wahnsinnig. Man möchte am liebsten irgendwie den Stecker ziehen, es glaubt niemand wie oft ich mir mein schmerzfreies Leben von früher zurückwünsche.
Bei alle dem was man täglich sowieso schon mitmacht, wird man dann auch noch bei Krankenkassen, Ämtern und Behörden, bei vielen Ärzten und Therapeuten als Sozialschmarotzer dahingestellt und immer wieder regelrecht dazu genötigt, man soll sich nicht so anstellen und arbeiten wäre schon wieder möglich. Es ist echt traurig, dass es immer noch so viel Fachpersonal gibt, die mit solchen Krankheitsbildern so unprofessionell umgehen. Wenn ich es könnte, dann wäre ich der Letzte der das hier mit durchmachen würde. Aber da ich es nicht kann, bin ich auch bereit täglich für meine Rechte zu kämpfen und das werde ich mit aller Entschlossenheit tun. Nur weil man meine Krankheit nicht offensichtlich sieht, bin ich trotzdem krank und in vielen Dingen stärker eingeschränkt als mancher körperlich Beeinträchtigte. Aber ich werde nicht so eingegliedert und muss für alles was mir auch rechtlich zusteht viel mehr kämpfen. Ich bin krank, ich habe Schmerzen, ich kann mich nicht bewegen, aber ich bin nicht blöd und kann klar denken, zumindest wenn die Schmerzen nicht so stark sind und genau diese Phasen werde ich nutzen mir meine Rechte im Sozialsystem zu erstreiten.
Denn die Schmerzen wecken in mir den unberechenbaren Teufel.