Mißverständnisse

Mißverständnisse

8. März 2017 0 Von Hartmut

Ich bin als Mensch bekannt der immer und jedem helfen will. Das hat mir in der Vergangenheit auch nichts ausgemacht. Wenn ich gebraucht wurde war ich da, da gab es nie eine Ausrede. Ich habe so vielen Menschen geholfen, ich habe so viele Menschen unterstützt mit meiner Arbeitskraft und mit Rat und Tat. Doch dann kam der Moment wo ich selbst nicht mehr helfen konnte, zumindest körperlich und da habe ich eine Enttäuschung nach der anderen erlebt. Keiner, ja wirklich keiner von denen die mich für ihre Vorteile benutzt haben, war da. Das hat mir einen schweren Schlag versetzt und ich war schwer enttäuscht.
Aber das ist nicht das Thema, es geht nur darum, dass ich heute körperlich niemanden mehr unterstützen kann, da ich ja selbst genug Schmerzen und Einschränkungen habe. Das fatale daran ist, dass man mir nichts ansieht. Ein „junger“ „kräftiger“ Mann in der Blüte seines Lebens steht vor einem und der kann doch Bäume ausreißen. Die Realität sieht leider anders aus, der kann noch nicht mal mehr einen Grasbüschel ausreisen.
Jetzt kommt man ja oft in Situationen wo andere Menschen hilflos dastehen und wo ich früher auch geholfen habe. Eine alte Frau stand mit Ihrer Tasche da und konnte sie nicht ins Auto heben. Sie fragte mich ob ich ihr helfen kann? Ich sagte tut mir leid, ich kann selbst nichts heben. Sie schaute mich erstaunt an und sagte, ich weiß nicht die jungen Leute von heute die haben einfach keinen Anstand mehr. Ich sagte der Dame erneut, es tut mir leid aber ich kann selbst nichts heben. Sie tat mir echt leid und ich habe einen anderen Passanten gerufen und gebeten der Dame zu helfen. Der schaute mich dann auch ganz entgeistert an und sagte warum hilfst du ihr denn nicht? Ich sagte ihm, weil ich nicht kann. Er schaute mich wieder ganz entgeistert an und sagte verarschen kann ich mich selbst, da brauche ich keinen dazu. Ich habe dann meinen Schwerbehindertenausweis herausgeholt und ihm diesen gezeigt. Dann sagte ich ihm, glauben sie mir jetzt? Er entschuldigte sich und fragte dann, darf ich mal fragen was sie haben? Ich habe ihm dann gesagt, ja ich habe Parkinson und Fibromyalgie. Plötzlich wollte auch die alte Dame wissen was ist denn dieses Fibro… habe es dann beiden kurz erklärt. Der Mann hat der Dame dann die Tasche ins Auto gestellt, dann haben sich beide bei mir entschuldigt und wir sind dann weiter gegangen.
Ein paar Tage später, saß ich beim Arzt, das Wartezimmer war voll und eine ältere Frau, schätze mal so um die 75-80 Jahre kam ins Wartezimmer. Sie hatte keinen Platz mehr zum setzen. Mir gegenüber saß eine Mutter mit ihren zwei Kindern, die vertieft mit ihren Smartphones am spielen waren. Die Dame fragte mich dann, ob sie meinen Platz haben darf? Ich sagte ihr, tut mir leid, aber ich habe heute selbst so Schmerzen, ich kann leider auch nicht so lange stehen. Aber da gegenüber sitzen doch Kinder. Da sagte die Mutter zu mir, jetzt sollen meine Kinder aufstehen damit sie auf ihrem faulen Hintern sitzen bleiben können. Ich habe ihr gesagt, ich verstehe, dass sie ihre Kinder frei erziehen, aber ein kleines bisschen Anstand, das sie früher von ihren Eltern ja auch gelernt haben, wäre schon nicht schlecht. Sie sagte warum sollen meine Kinder aufstehen? Ich sagte zu ihr, wenn ich keine Schmerzen hätte, dann würde ich schon lange stehen und der Dame meinen Platz anbieten. Für uns war es im Alter von Ihnen und im Alter Ihrer Kinder üblich, wenn ältere Personen kamen aufzustehen und den Platz von alleine anzubieten. Dann stand eine Frau auf, die mich und meine Geschichte kennt und bot der alten Dame ihren Platz an. Die Mutter der beiden Kinder schaute dann ganz entgeistert und sagt zu einem ihrer Kinder, lass mal bitte die Frau setzen. Da sagte die Frau zu ihr, lassen sie ihre Kinder jetzt ruhig sitzen, sie hatten vorhin die Gelegenheit ihren Kindern die Situation zu erklären, aber das scheint ihnen ja selbst niemand erklärt zu haben und übrigens der Mann hier, den kenne ich und ich weiß wie krank er ist. Das was er vorhin sagte war für ihn immer eine Selbstverständlichkeit aber heute steht er oft selbst vor der Situation, dass er einen Platz braucht und ihm keiner glaubt. Ich kam dann dran, bin ins Sprechzimmer. Als ich beim Arzt raus gekommen bin, stand die Frau mit ihren beiden Kindern da, sie waren als nächste dran und sie entschuldigte sich bei mir, dass sie vorhin das mit dem faulen Arsch gesagt hat, sie habe ja nicht gewusst, dass ich selbst solche Probleme habe. Ich habe gesagt, die Entschuldigung ist für mich nicht so wichtig, ich hoffe sie haben aus dieser Situation etwas für die Zukunft gelernt. Respekt und Anstand tut niemandem weh, es sei denn man hat beides nicht, dann tut man anderen weh. Sie war sichtlich gerührt, ich sagte auf Wiedersehen und bin dann gegangen.
Solche Situationen die einem täglich begegnen muss man erst mal für sich soweit verarbeiten, dass man es irgendwann einfach nicht mehr so an sich heranlässt. Ganz ausschalten kann man es nicht, vor allem wenn Beleidigungen und Erniedrigungen ausgesprochen werden. Aber wie schon gesagt, Respekt und Anstand muss man gelernt haben.
Ich könnte hier noch etliche Beispiele schreiben, es würde Seiten füllen, aber letztendlich läuft es immer wieder auf das gleiche heraus.